Ich war kürzlich für eine Woche auf der Insel Gran Canaria. Die Insel verbirgt ihre Schönheit zunächst sehr geschickt. Meine Gastgeber wohnen in Playa del Inglés, das sich im Süden der Insel Gran Canaria befindet. Der Ortskern ist eine übel verbaute Ansammlung von Hotel- und Appartment-Anlagen aus den 60er, 70er und 80er Jahren. Es ist hässlich, keine Frage, und wirkte auf mich so trostlos wie die Wilmersdorfer Straße an einem nasskalten Novembermorgen, nur eben mit Sonnenbrand und Badelatschen.
Etliche Läden und Bars wechseln sich ab, mit Irish Pubs, Pizzerien, Ausflugsbüros, Supermärkten (Spar ist ganz groß). Neben Playa del Inglés gibt es auch andere Orte, die weniger angestaubt sind, aber nicht weniger verbaut. Appartment-Anlagen, so weit das Auge reicht, 5-Sterne-Hotels im Stil von Kirchen, afrikanischen Dörfern, Disneyland und und und. Die touristischen Gebiete im Süden der Insel sind also zum Teil schick und neu, zum Teil altbacken und trostlos, aber immer künstlich. Diese Orte können irgendwo sein; es spielt keine Rolle, nur dass die Angestellten jeweils eine andere Sprache sprechen, die man nicht versteht.
Gestatten, mein Büro
Doch meine Unterkunft war toll. Eine hübsche Anlage mit mehreren Bungalows, die ein wenig ab vom Trubel liegt und direkt aufs Meer und einen geschützte Dünenlandschaft zeigt. Ein sauber gepflegter Garten, in der Mitte ein Pool, dazu Palmen und fertig ist eine perfekte Aussicht, die ich jeden Tag von meinem mobilen Büro auf der Terrasse genieße durfte. Und so sah das aus:
Bergtour
Sehr schön war unsere Tour durch das Landesinnere. Dort geht es bis auf ca. 2000 Meter hinauf; eine meist karge Berglandschaft wird erst in den höheren Lagen grün. Ich liebe Berge, und hier hatte ich wenigstens einen Tag das Gefühl, in einem fremden Land zu sein, in dem normale Menschen normalen Tätigkeiten nachgehen. Dort besuchten wir beispielsweise den schönen Ort Tejera, der einen sehr hübschen Ortskern zu bieten hatte, siehe Fotos.
Bevölkerung
Die größte Gruppe der Nicht-Spanier stellen Rentner und Pensionäre aus dem nordeuropäischen Ausland – Deutschland, England, Skandinavien. Darunter ein Großteil Dauerurlauber bzw. Emigranten, die sich entspannt und braungebrannt durch den Ort bewegen. Normale Touristen sind auch dabei, auch jüngere, dann allerdings hauptsächlich Familien. Sie unterscheiden sich hauptsächlich in der Hautfarbe: die Farbe der Normaltouristen geht eher ins rötliche, während die Dauerurlauber in sattem Grillhähnchenbraun strahlen.
Deutscher Bäcker, deutsche Zeitung, deutsches Radio, deutscher Arzt, deutsches Restaurant, deutsches Fernsehen: die Deutschen haben doch einen Krieg gewonnen. Um 5:45 Uhr wird aufgestanden. Jeden Morgen ging ich zum deutschen Bäcker, dessen Ware deutscher und handwerklicher gemacht ist als bei den meisten Bäckern in Deutschland. Bestellung: „Ola, tres Vollkornbrötchen, un Laugenbrötchen y una de estos.“ (Damit ist eine Puddingschnecke gemeint.) „Gracias.“ (das s am Ende übrigens hört man nicht, hier werden alle End-S verschluckt. Die armen Dinger.) Dann noch nebenan die auf der Insel gedruckte Bild-Zeitung gekauft.
Die Einheimischen auf Gran Canaria sind voll an die Ausländer angepasst, sprechen mindestens ein paar Brocken deutsch und englisch auf jeden Fall. In Regionen ohne bzw. mit weniger Touristen oder Zugezogenen wird Spanisch gesprochen, der Fremde wirkt manchmal lästig wie eine Fliege. Man wird bedient, aber ich meinte ab und an die Frage im Raum zu spüren: Könnt Ihr nicht in den Ecken der Insel bleiben, die Ihr Euch eh schon unter den Nagel gerissen habt? Diesen Gedanken finde ich auch schlüssig. Die Einheimischen in den Touristenregionen legen die professionelle Freundlichkeit an den Tag, die man aus allen Ecken der Welt kennt. Das machen sie aber sehr gut; und an manchen Stellen hatte ich das Gefühl, dass Einheimische und Dauerurlauber ein richtig nachbarschaftliches Verhältnis haben und dabei sind, zu einer Gesellschaft zusammenzuwachsen. So wie in Berlin: Es gibt riesige Unterschiede zwischen den Kulturen, aber Berliner sind wir alle.
Man spielt Golf
Viele der älteren Residents spielen Golf, so auch meine Gastgeber. Damit kam ich auch in Genuss meiner ersten Golfstunde, und ich kann sagen, dass es verdammt viel Spaß macht. Als Billardspieler und -trainer liegt mir die feine Bewegung, und mich packte sofort nach den ersten Versuchen der Ehrgeiz. Oh ja, das werde ich wieder machen, das will ich können. Golf ist so ähnlich wie Billard: es ist eigentlich unmöglich, was man da versucht, aber es klappt dann doch. Und da wir keine Speere mehr werfen müssen, um uns unseren Bio-Tofu zu jagen, müssen wir unsere Fähigkeit zur präzisen Körperkoordination halt woanders nutzen.
Wetter, Wetter, Wetter
Ein echter Pluspunkt und sicher der Hauptgrund für die Annexion der Insel durch die Nordländer: Es ist schön warm, während es in Deutschland schneit. Die ganze Woche über hatten wir um die 20 Grad mit Sonnenschein. Vereinzelt mal ein Wölkchen, aber kein Tropfen Regen. Mir wurde zwar regelmäßig versichert, dass das Wetter ja schlecht sei und für die Jahreszeit „viel zu kalt“, aber das konnte ich nach -15 Grad eine Woche zuvor in Berlin nicht so sehen. Ich fand es perfekt.
Abschließend mein Fazit: Gran Canaria is not my piece of cake. Während meines Aufenthalts habe ich mich aber sehr wohl gefühlt, wofür hauptsächlich meine lieben Gastgeber und deren nette Freunde und Bekannte verantwortlich waren. Würde ich wiederkommen? Ja, wegen des Wetters und meiner Gastgeber. Würde ich wiederkommen, wenn es keine liebreizenden Gastgeber gäbe? Eher nicht.